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Der Prüfbericht der FATF.

Veröffentlicht am 16. Oktober 2022

Es ist sehr schnell sehr still geworden um die Veröffentlichung des Prüfberichts der Financial Action Task Force (FATF) zum System der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Deutschland. Der Bericht wurde am 25. August dieses Jahres veröffentlicht und war mit Spannung erwartet worden. Heute findet er in der öffentlichen Diskussion längst nicht mehr statt.

Der Grund dafür liegt vielleicht in einer cleveren Pressekonferenz von BMF und Bundesfinanzminister Christian Lindner am 24. August 2022 – ein Tag vor Veröffentlichung des FATF-Prüfberichts. Von nichts weniger als einem „Paradigmenwechsel“ in der Geldwäschebekämpfung ist hier die Rede.  Auf der Homepage des BMF wird unter der Überschrift „Voller Einsatz gegen Finanzkriminalität“ weiter zitiert „Deutschland darf nicht länger den Ruf eines Geldwäsche-Paradieses haben. Wir haben den Mut zum großen Wurf: Mit leistungsfähigen und wirksamen Strukturen werden wir dafür sorgen, dass die ehrlichen Kaufleute vor denen geschützt werden, die sich nicht an Regeln halten.“ Das knallt.

Zur schlagkräftigeren Bekämpfung der Finanzkriminalität wird in der Pressekonferenz und in einem Eckpunktepapier insbesondere die Bündelung von Kompetenzen zur Geldwäschebekämpfung unter einem Dach angekündigt. Dazu wird eine neue Bundesoberbehörde geschaffen, in der ein neu zu gründendes Bundesfinanzkriminalamt (BFKA), die Financial Intelligence Unit (FIU) und eine ebenfalls neu einzurichtende koordinierende Zentralstelle zur Aufsicht des Nichtfinanzsektors abgebildet werden.

In gerade einmal 6 Minuten und 34 Sekunden hat es Herr Lindner geschafft, die am Folgetag mit dem FATF-Bericht dokumentierte Kritik an der deutschen Geldwäschebekämpfung abzuräumen. Denn alles was jetzt noch kam, konnte mit dem Hinweis auf die neu aufzubauende Behörde und dem damit verbundenen Paradigmenwechsel weggewischt werden. Man hat die Zeichen der Zeit ja erkannt und den großen Wurf bereits eingeleitet.

Dabei hat die FATF viel gegeben und der Bericht ist gelungen. Die Feststellungen des Berichts taugen eigentlich für eine lange und nachhaltige Diskussion in der breiten gesellschaftlichen Öffentlichkeit. Eigentlich. Man könnte zum Beispiel die darin getroffenen Feststellungen aufgreifen und in einen breiteren Kontext zu wirtschaftlicher Fairness und Finanzierungsmöglichkeiten des Staates stellen. Gerade in diesen Tagen. Siehe dazu auch der Artikel der SZ „Holen Sie sich das Geld der Kriminellen, Herr Lindner“ - https://www.sueddeutsche.de/meinung/gaspreisdeckel-geldwaesche-lindner-schulden-1.5672700

Gleich zu Beginn des Berichts bescheinigt die FATF Deutschland „significant improvements to its AML/CFT framework“ in den letzten fünf Jahren. Auch das muss gesagt werden. Wenn man den Bericht weiterliest – und das ist für mich die grundsätzliche Message des Berichts – wird deutlich, dass es zwar Verbesserungen im administrativen Rahmenwerk gegeben hat, aber die messbaren operativen Maßnahmen und Ergebnisse weiter defizitär bleiben. Und auf die kommt es bei der Bekämpfung eines Kriminalitätsphänomens wie der Geldwäsche nun einmal an.

Für mich sind drei Feststellungen wesentlich. In Bezug auf die investigative Geldwäschebekämpfung der Satz „There is no clear policy or strategy for disrupting and sanctioning ML in a consistent and  comprehensive manner.“,  die an verschiedenen Stellen angemahnte fehlende Effektivität der Maßnahmen sowie eine fehlende Messbarkeit der Effektivität eingesetzter Instrumente – „The lack of available data across the Federal and Länder governments hampers Germany’s ability to measure its own effectiveness in a number of areas of the system.“

Wir sind heute also gar nicht in der Lage, die Wirksamkeit des Systems oder einzelner Maßnahmen zur Geldwäschebekämpfung eindeutig zu messen. Deshalb wissen wir auch nicht, wie erfolgreich oder eben nicht erfolgreich wir tatsächlich sind. Und das betrifft alle Player in diesem System. Vom Verpflichteten des GwG, über die FIU, die Strafverfolgung und Justiz. Wir schütten unfassbar viele Ressourcen und Aufwand in ein System, welches wir nicht messen können und von dem wir ausgehen müssen, dass es in wesentlichen Teilen weder effizient noch operativ wirksam ist. Wir administrieren die Geldwäschebekämpfung.

Und an diesen Stellen müssen wir ansetzen. Wie schaffen wir es, ein echtes Mehr an operativ messbaren (Ermittlungs-)Ergebnissen zu erzielen? Wie und auf Basis welcher Parameter und Daten können wir endlich messen, ob wir erfolgreich (effizient) sind oder nicht?

Ich finde, wir gönnen uns in Deutschland immer ein paar merkwürdige Eigenarten, an denen wir gerne festhalten, obwohl wir eigentlich wissen, dass es andere Staaten besser machen und wir von Veränderungen profitieren würden. Das Tempolimit ist eine solche Eigenart. Und in der Geldwäschebekämpfung ist es nicht groß anders. Was ist mit einem generellen Bargeldlimit? Wie können wir die Vermögenseinziehung weiter deutlich vereinfachen, wenn wir schon nicht über das Wort „Beweislastumkehr“ bei der Bekämpfung Organisierter Kriminalität sprechen wollen? Und warum eigentlich nicht? Was ist mit einem modernen Unternehmensstrafrecht?

Und wie reagieren wir darauf? Wir bauen eine neue Behörde. Und bitte nicht falsch verstehen. Ich halte die Idee, eine zentrale Aufsicht für den Nichtfinanzsektor (aber bitte nicht nur koordinierend), die FIU sowie ein BFKA unter einem Dach zu konzentrieren, für gut. Auch wenn der dabei beschworene Vergleich zur italienischen Guardia di Finanza, als eine spezialisierte operative Polizeieinheit deutlich hinkt.

Aber es wird trotzdem nicht reichen, wenn wir nicht gleichzeitig systemische Veränderungen mitdenken, die die neue Behörde und ihre Beamten*Innen erst in die Lage versetzen, Geldwäsche wirksamer als bisher zu bekämpfen. Wenn wir diese systemischen und rechtlichen Anpassungen nicht ergebnisoffen diskutieren, dann bleibt es einfach nur eine weitere neue Behörde. Ich vermisse in dieser Idee auch von Anfang an die Einbindung der Strafverfolgung und Polizeibehörden sowie ihrer Informationen. Das hätte gleich bei der Kommunikation zur neuen Behörde mitgeliefert werden müssen. Wenn wir das nicht hinbekommen, dann wiederholen wir nur die Geburtsfehler der FIU. Das war auch mal eine gute Idee.

Zu diesen Inhalten habe ich am 30. September 2022 am Gesprächskreis „Geldwäschebekämpfung im Raum Berlin-Brandenburg“ an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) teilgenommen und zusammen mit Frau Prof. Dr. Lucia Sommerer und Herrn Dr. Marcus Pleyer den Workshop „Reformbedarf bei der Geldwäschebekämpfung in Deutschland – Ergebnisse der FATF-Prüfung“ gestaltet. Auch an dieser Stelle noch einmal vielen Dank an die Veranstalter*Innen. Die dabei vorgestellte Präsentation (ergänzt durch ein „Storyboard“) kann hier abgerufen werden.

Danke fürs Lesen.


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